Erklärtes Ziel, um den Klimawandel zu bekämpfen: Klimaneutralität erreichen. Aber was bedeutet das überhaupt? Geht Klimaneutralität auch in Unternehmen? Hört sich ja erstmal gut an, aber wie soll das mit Klimaneutralität funktionieren? Ist das nicht eher Wunschdenken, härter ausgedrückt Schönrednerei, oder ist es machbar?
Was heißt eigentlich „klimaneutral“ genau?
Laut Wikipedia bedeutet Klimaneutralität, dass durch einen Prozess oder Tätigkeit das Klima nicht beeinflusst wird. Da Haupteinflussfaktor auf das Klima CO2 ist, wird „klimaneutral“ inzwischen mit „Null CO2-Emissionen“ gleichgesetzt. Weil dies in vielen Prozessen und Vorgängen einfach nicht zu erreichen ist, wird dann das Ziel „es wird genauso viel CO2 gebunden, wie emittiert wird“ ausgegeben.
Und da sind wir schon beim ersten Knackpunkt. Wenn man seine CO2-Emissionen nicht senken kann (oder will), dann kompensiert man eben „nur“. Und pflanzt zum Beispiel Bäume, die CO2 binden und Sauerstoff produzieren sollen.
CO2 Kompensation kann aber leider nur begrenzt funktionieren
Fluggesellschaften bieten mittlerweile direkt bei der Buchung an, die entsprechenden Flugkilometer zu kompensieren. Man zahlt also ein paar Euro mehr, diese gehen an entsprechende Unternehmen wie Atmosfair oder Climate Partner. Diese finanzieren daraus dann Aufforstungsprojekte weltweit. Auch Shell wirbt seit 2020 mit „klimaneutralem Tanken“. Zahlt der Autofahrer 1,1 Cent je Liter mehr, dann finanziert Shell Waldprojekte in Peru, Indonesien und auch Schleswig-Holstein, an letzterem Standort sogar ohne Anrechnung auf Konpensationswerte.
So gut es ist, dass die Menschheit und die Unternehmen zum Klimawandel sensibilisiert sind und den CO2-Ausstoß thematisieren, so negativ ist die Umsetzung per Kompensation.
Kritikpunkte an „Klimaneutralität per CO2 Kompensation“
- Bei der Kompensation durch Aufforstung geht man bei der Kompensationsberechnung davon aus, dass der neue Baum sofort nach Pflanzung die Gesamtmenge an CO2 in seinem gesamten Baumleben speichert. Dass diese Rechnung nicht aufgeht, ist offensichtlich: ein kleiner Setzling speichert nur sehr wenig CO2. Je nach Baumtyp braucht es 30 bis 60 Jahre, bis die eingerechnete Menge an CO2 wirklich erreicht wird. Dann haben wir das Jahr 2051 oder sogar 2081 … dann ist es leider viel zu spät, den CO2-Ausstoss drastisch zu reduzieren.
- Und noch einmal der Aspekt Aufforstung und Zeit – bis ein junger Baum ordentlich CO2 binden kann, dauert es Jahre. Falls er überhaupt so groß wird. Denn Schädlingsbefall, Flutkatastrophen bzw. Überschwemmungen (die z.B. die Baumplantagen von Plant-for-the-Planet ersäuft hat) kommen vor. Und, noch krasser: die Abholzung findet statt. Dass eine bepflanzte Fläche nach sagen wir mal 20 Jahren plötzlich Bauland wird, kommt leider häufig vor. Oder dass der Holzbedarf so groß ist, dass das Holz „geerntet“ wird …
- Fast alle Kompensationsprojekte sind Aufforstungsprojekte, weltweit. So schön ein neuer Wald in Afrika ist – was nützt er uns hier? Und was nützt er den Menschen in Afrika, Peru usw.? Er entstehen dort hoffentlich Arbeitsplätze, das ist gut. Aber im Sinne Sauerstoffproduktion und CO2-Bindung sollten eigentlich Bäume dort gepflanzt werden, wo viel CO2 produziert wird.
- Außerdem erinnert das Ganze doch sehr an modernen Ablasshandel. Ich zahle für eine Umweltsünde, und habe dann kein schlechtes Gewissen mehr. Die Psychologie kennt hierfür den Fachbegriff Moral Licensing: eine negative Tat wird durch eine gute wieder wettgemacht. Die Kompensation der Klimasünde ermöglicht es mir, weiterhin klimaschädlich zu handeln.
Verstehen Sie uns bitte nicht falsch; Kompentsation ist besser als gar nichts tun. Aber man kann theoretisch unbegrenzt kompensieren – wozu soll ich also den eigenen CO2-Ausstoß senken? Kompensation gibt keinen Anreiz zu nachhaltiger Änderung. Und damit verhindert Kompensation leider auch Innovation. Und Innovation ist aus unserer Sicht ein entscheidender Hebel, den Klimawandel nachhaltig zu stoppen.
Klimaneutralität als Marketingargument
Immer mehr Unternehmen setzen „Klimaneutralität“ als Verkaufsargument ein. Es ist bewusst in Gänsefüßchen gesetzt, denn wirklich klimaneutral im Definitionssinn sind die wenigsten. Dazu sind sogar einige Gerichtsverfahren noch anhängig, prominentestes verklagtes Unternehmen ist Aldi Süd. Eine Aussage „wir handeln klimaneutral“ stimmt nicht, wenn die Klimaneutralität über Kompensation „erkauft“ wird.
Aber es klingt halt gut … selbst Deutschland hat im Klimaschutzgesetz als Ziel ausgerufen, bis spätestens 2045 klimaneutral zu sein. Wie das erreicht werden soll? Hier müssen die Unternehmen handeln, die Industrie, die Wirtschaft. Und handeln heißt nun mal, echte Innovation zu entwickeln. So gibt es viele Möglichkeiten, Nachhaltigkeit als Innovationsmotor in Unternehmen zu etablieren. Die Chancen, die ein solches Vorgehen bringt, erkennen immer mehr Unternehmen. Kompensation macht aus unserer Sicht nur dann Sinn, wenn man ausschließlich den verbleibenden „CO2-Emissions-Rest“, der aktuell nicht eingespart werden kann, damit eliminiert! Übrigens, Nachhaltigkeit und Innovation haben gemeinsam – beides sind lebenslange Reisen, man ist nie fertig, ein bißchen Mehr geht immer.
Klimaneutralität in Unternehmen
Neben der Kompensation, die keinen Lerneffekt, keinen Reduktionseffekt hat, gibt es noch eine andere Möglichkeit für Unternehmen, Klimaneutralität zu erreichen. Erstens natürlich die Senkung der eigenen produzierten CO2-Emissionen. Zum anderen, alle Zulieferer / Partner / Lieferanten zur Klimaneutralität aufzurufen. Beziehungsweise sich von ihnen bescheinigen zu lassen, dass die gelieferten Produkte klimaneutral sind.
Sie sehen hier wahrscheinlich schon das Problem? Einmal ist es die Verlagerung zu anderen Verantwortlichen. Zum anderen: welchen Einfluss hat das jeweilige Unternehmen auf den Lieferanten? Und wenn dieser dann auch noch außerhalb Deutschlands sitzt, z.B. bei sehr vielen Produkten aus Asien: welche Handlungsmöglichkeiten gibt es vor Ort, klimaneutral zu werden? Und kann das der Lieferant überhaupt leisten? Also doch wieder Kompensation? Und damit die Verantwortung wieder zu verschieben …
Und die zweite Frage, die sich uns stellt: wer an welcher Stelle des Produktions-/Angebotsprozesses ist für welchen CO2-Ausstoß verantwortlich? Beispiel Packung Kaffee im Supermarkt – die Kaffeeplantage, der Pflücker der Bohnen, der Transporteur zur Verarbeitung, die Kaffee-Produktionsstätte bzw. Röster, der Transporteur zum Supermarkt, der Markt selbst? Oder noch einfacher: ist die Fluggesellschaft für die Emissionen ihrer Flugzeuge verantwortlich oder der Passagier? Wer muss hier an seiner Klimaneutralität arbeiten?
Viele Fragen, wenig Lösungen
Das Ziel „ich will klimaneutral handeln / werden“ klingt gut. Die Realisierung wirft allerdings derzeit noch mehr Fragen auf, als es Lösungen gibt. Positiv ist, dass das Thema erkannt ist. Es darf nur nicht sein, dass der eine Verursacher dem anderen den „Schwarzen CO2-Peter“ zuschiebt. Und am Ende dann leider nichts passiert. Klimaneutralität ist ein interessanter Ansatz, wenn man alles getan hat, damit das eigene Unternehmen so nachhaltig wie möglich wirtschaftet.
Nachhaltigkeit und Innovation sollten bei jedem Unternehmen in die Managementsysteme eingebettet werden. Nur so schaffen Unternehmen den Wandel, der in der heutigen Zeit notwendig ist. Machen Sie Nachhaltigkeit zu Ihrem Erfolgsmotor. Es gibt hier viele Möglichkeiten und Chancen, die darauf warten genutzt zu werden.
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